Traditionsfahrt von ungebrochener Anziehungskraft

 

Seit jeher ist die Elbe ein beliebter Wanderfluss. Es liegt schon fast eine Magie über diesem 1094 km langen Strom, der in Böhmen entspringt und bei Cuxhaven in die Nordsee mündet.

Die ungebrochene Anziehungskraft dieses Flusses beruht nur zum Teil auf der einzigartigen Landschaft, die vom Elbsandsteingebirge bis in die norddeutsche Tiefebene immer wieder neue Bilder zaubert. Die vielen historischen, malerischen Städte und Denkmäler an ihrem Ufer sind ein kulturelles Mekka, deren magischen Reizen auch Paddler erliegen: Dresden, das „Elbflorenz“ mit seiner barocken Architektur, die Porzellanstadt Meißen, das Lutherische Wittenberg, Magdeburg mit seinen sehenswerten Bauwerken bis hinein in die Hanse- und Hafenstadt Hamburg – jahrhundertealte und dennoch gerade erst geschriebene deutsche Geschichte auf jedem einzelnen Flusskilometer.

Schon gleich nachdem der Alliierte Kontrollrat 1945 Sport im beschränkten Umfang wiederElbflorenz Dresden, Foto: Falk Bruder zugelassen hatte, zog es die Kanuten aus Ostdeutschland und den osteuropäischen Nachbarländern zurück auf die Elbe, die bis heute – zumindest auf deutscher Seite – ungebändigt durch Wehre und Staustufen ihrer Kraft freien Lauf lassen darf. Westdeutsche Paddler konnten sich seit dem Bau der Mauer bis zu deren Fall 1989 nur vereinzelt über gute Kontakte auf die Elbe „schmuggeln“.

Nach der Wende wurden die kulturhistorischen Denkmäler restauriert – sie ziehen sich heute wie eine lange Reihe malerischer Perlen am Ufer entlang und verleihen ihr einen unvergleichlichen Charme und eine Anziehungskraft, der sich niemand entziehen kann und will.

 


 

Für Frieden und Freundschaft

Die Elbefahrt hat eine lange Tradition in der deutschen Kanugeschichte und diente schon immer auch der Völkerverständigung und Friedensbewegung. Am 7. September 1959 trafen sich 87 Kanuten aus der DDR und 100 Kanuten aus der CSSR zur 2. Friedensfahrt auf der Elbe, die von Vanow nach Torgau führte. Zuvor hatten sie gemeinsam die Luznice und die Moldau befahren. Um 1960 wurde die Kanuwanderfahrt für Frieden und Freundschaft ins Leben gerufen. Sie hatte über viele Jahre Bestand, bis das Interesse der Kanufreunde aus der Tschechischen Republik (damals CSSR) nachließ.

Meist auf dem besonders reizvollen Flussabschnitt von Schmilka bis Riesa wurden schon nach der Gründung der DDR immer wieder Fahrten ausgeschrieben. Der BFA Leipzig richtete am 7. Oktober Am Elbufer von Torgau, Foto: Falk Bruder1974 mit der BSG Stahl Brandis die erste Elbefahrt über 100 km und zwei Fahrtentage von Dresden über Nünchritz nach Torgau aus. Es war, als hätten die Wasserwanderer nur darauf gewartet! 79 Kanuten aus vier Bezirken und elf Sektionen nahmen daran teil.

Der Deutsche Kanu-Sport-Verband (der DDR) wollte über Kanu-Mehrkämpfe mehr Kanusportler an messbare Leistung heranführen. So war bei der Fahrt 1975 ein Wettkampf vorgesehen, für den sich noch mehr Kanutouristen angemeldet hatten. Die Kanu-Touristik-Kommission entschloss sich deshalb, die Elbefahrt als zentrale Fahrt zu bewerten. Um die 250 Paddler beteiligten sich meistens in den Folgejahren, zum 10. Jubiläum waren es sogar 330.

 


 

Logistische Meisterleistung

Um Fahrtenleiter Martin Eisermann bildete sich eine hervorragend kooperierende Fahrtenleitung, die die erheblichen organisatorischen Aufgaben ausgezeichnet bewältigte. In Dresden durften die schon am Freitag angereisten Kanuten auf den Elbwiesen gegenüber der Brühlschen Terrasse zelten. Das Gepäck wurde mit Lastwagen und Hänger transportiert. Vor dem Start erfolgte eine Unfallbelehrung. Eine Teilnehmerkarte wurde an jeden Einzelfahrer ausgegeben, ebenso eine Startkarte, die er bei der Abmeldung wieder abzugeben hatte.

Auf der ersten Etappe fand ein Wettkampf statt. In Nünchritz mussten für mehrere hundert Teilnehmer ein Zeltplatz und ein Saal für den Kanutenball mit der Siegerehrung gefunden werden. In Torgau war dafür zu sorgen, dass die Fahrtenteilnehmer ihre Züge erreichen konnten. Auch hierfürLogistische Meisterleistung, Foto: Falk Bruder wurde ein LKW-Transport vom Bootshaus zum Bahnhof eingesetzt – eine logistische Meisterleistung! Aus Zeitgründen und weil viele der Teilnehmer die Strapazen der zweiten Etappe fürchteten, beendete bis zu einem Drittel der Paddler ihre Fahrt bereits in Riesa.

 


 

Schöne Elbe, böse Elbe

Im Laufe der Jahre hatten die Paddler mit allen Widrigkeiten zu rechnen, u. a. mit Gegenwind, Regen- und Hagelschauern sowie Sturmböen bis Windstärke 7, die teilweise Boote quer stellten und stromauf trieben. 1979 wurde in Dresden Sturmwarnung gegeben - nicht einmal Radebeul erreichten alle 246 Teilnehmer. Nur 50 kamen am Ziel in Torgau an.

Bei der 13. Elbefahrt war ein Schleppzug der CSSR auf Grund gelaufen. Die Wasserschutzpolizei hatte den Fluss gesperrt, gab ihn aber auf Protest der Teilnehmer für 15 Minuten wieder frei. Den Wettkämpfern, die die Stelle nicht schon vorher passiert hatten, blieb nur noch ein Massenstart übrig.

So schön die Elbe war und ist, die konnte und kann auch ganz schön „böse“ sein, daran hat sich Auf der Elbe kann es recht wild sein, hier der Domfelsen von Magdeburg, Foto: Falk Brudernie etwas geändert. Bei dieser Gepäckfahrt stehen nur geübte Paddler auf der sicheren Seite.

 


 

Die längste Gepäckfahrt Deutschlands

Nach der Wende reduzierten sich die Teilnehmerzahlen. Nur noch 56 Kanuten meldeten sich für die Fahrt 1991 an. Doch es fanden sich neue Idealisten, die die Elbefahrt wiederbeleben wollten – und zwar über die gesamte Länge von Schmilka bis nach Cuxhaven.

1990 übernahm Hans-Jürgen Prigge aus Hamburg die Organisation der ersten Fahrt nach der Wende. Die Teilnehmer dieser längsten Gepäckfahrt Deutschlands setzten sich damals aus Paddlern zusammen, die in etwa je zur Hälfte aus den neuen und aus den alten Bundesländern kamen.

Von 1991 bis 2008 wurde die Fahrt von Schmilka bis Hamburg als Internationale Fahrt (ICF) ausgeschrieben. Sie unterstand bis 1998 der Leitung von Arne Laubach, bis 2008 führte GünterDie Medaillen der ICF Elbefahrt ab 1991, Foto: Falk Bruder Röhrig (beide Hamburg) die Organisation weiter.

Das Interesse an der Elbefahrt stieg wieder an, auch aus dem Ausland kamen Anmeldungen: aus der Schweiz, Österreich, Belgien, Holland, England, Polen und Ungarn, ja sogar aus den USA und aus Australien. Aber die Fahrt hatte auch ihren besonderen Reiz! Da waren natürlich die kulturhistorischen Perlen am Ufer der Elbe, aber auch die Besonderheiten beim Paddeln: Von Geesthacht bis zum Ziel fand die Fahrt auf Tidengewässern statt.

 


 

Komfort für die Paddler

Doch die Zeiten hatten sich geändert. Bei 120 Kanuwanderern wurde es auf den Übernachtungsplätzen zu eng – als Folge begrenzten die Organisatoren die Teilnehmerzahl auf 100.

Bei der langen Strecke war man auf die zuverlässige Unterstützung durch die örtlichen Vereine angewiesen – und die Ansprüche waren gestiegen, der Komfort für die Paddler stieg. Bei der Ankunft gab es Kaffee und Kuchen, abends in der Regel ein warmes Essen und in einzelnen Vereinen am Morgen sogar ein komplettes Frühstück statt der sonst üblichen Brötchen. Getränke für die weitere Fahrt waren immer in ausreichender Menge vorhanden, so dass niemand im Supermarkt einkaufen musste.

Nach der langen Fahrt war für den Rücktransport von Hamburg nach Dresden gesorgt. Bis zu 50Nötiger Komfort für heute: Ladestation für all die kleinen elektronischen Helferlein, Foto: Falk Bruder Kanuten mit Gepäck fanden im gecharterten Omnibus Platz, und auch die Boote wurden zurück nach Dresden transportiert.

 


 

20. Internationale Elbefahrt 2014

Zum 100-jährigen Jubiläum des Deutschen Kanu-Verbandes lebt diese lange Tradition mit der 20. Internationalen Elbefahrt (die 20. Fahrt ergibt sich aus diesem Zeitraum 1990 - 2008) wieder auf. Vom 12. Juli bis 2. August 2014 werden die Teilnehmer in 16 Etappen die Strecke von Schmilka (Bad Schandau) über Dresden und Magdeburg nach Hamburg zurücklegen. Gepaddelt wird – der Tradition entsprechend – auch 2014 mit Boot und Gepäck. Viermal wird ein Ruhetag eingelegt, der sich für Besichtigungen anbietet, z. B. in Dresden und Wittenberg, in Magdeburg und Dömitz.

635 Kilometer ist die Strecke lang, und nicht alles ist Elbe. Etwa zwei Kilometer fallen auf die Alte Elbe in Magdeburg (bis zum Bootshaus Börde). Die Tanger in Tangermünde zum Bootshaus des Rudervereines macht ebenfalls rund 2 km aus. 6 km werden auf dem Havelkanal mit Schleusung zum Bootshaus auf der Spülinsel in Havelberg gepaddelt, ca. 4 km in Wittenberge durch den Hafen"Goodies bag" zur 20. Elbefahrt mit T-Shirt, Aufklebern, Begleitheft..., Foto: Falk Bruder zum Bootshaus.

Die Organisation der Fahrt teilen sich die Landeskanuverbände entlang der Elbe auf. Dementsprechend wechseln auch die Fahrtenleiter der einzelnen Etappen.

Neben dem rein kanutouristischen Teil wird es, organisiert durch die gastgebenden Vereine in den Etappenorten, ein vielfältiges kulturelles Rahmenprogramm geben.

Uschi Zimmermann

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